Zucker für Spitzendenker – nein danke!

Viel Zucker bedeutet viel Energie, oder etwa nicht? Im Falle des Gehirns ist es leider nicht ganz so eindeutig.
Wir kennen es alle. Wir sind hungrig, unser Blutzucker ist im Keller, wir können uns kaum konzentrieren und sind vielleicht sogar gereizt oder deprimiert. Ein Griff zum Schokoriegel oder zuckerhaltigen Getränk kann da zeitweilig Abhilfe schaffen. Allerdings nur zeitweilig, weil der Zucker die Insulinproduktion aufdreht und der Blutzuckerspiegel wieder absackt, häufig auf ein niedrigeres Niveau als zuvor.

Starkes Übergewicht, niedrige Gehirnenergie?

Trotzdem, Zucker scheint das Gehirn zumindest auf kurze Dauer anzukurbeln, oder? Leider nicht immer. Es ist komplex: Bei stark übergewichtigen Menschen führt ein erhöhter Blutzuckerspiegel nicht zu einem höheren Energieniveau im Gehirn. Dies hat ein Wissenschaftler-Team der Sektion für Psychoneurobiologie im Center of Brain, Behavior and Metabolism (CBBM) der Universität zu Lübeck in einer wissenschaftlichen Studie belegt. Die Ergebnisse wurden im April diesen Jahres im Fachjournal Metabolism veröffentlicht.

Zucker, Quelle: pixabay
Zucker, Quelle: pixabay

Kein Völlegefühl oder Depressionen

Nur ein hohes Energieniveau im Gehirn verursacht ein Völlegefühl. Da das Energieniveau stark übergewichtiger Menschen niedrig bleibt, könnte dies der Grund sein, warum adipöse Personen oft kein Völlegefühl mehr verspüren. Ein niedriges Energieniveau im Gehirn kann außerdem Gefühle von Niedergeschlagenheit und Depression im Menschen hervorrufen.

Zu viel Fruktose stört die Denk- und Erinnerungsfähigkeit bei Ratten

Die University of California, Los Angeles, (UCLA) veröffentlichte im Jahr 2012 eine Studie, die belegt, dass Ratten nach Einnahme einer zuckerreichen Diät schlechter in der Lage sind, Aufgaben zu lösen. Geleitet wurde diese Studie von Fernando Gomez-Pinilla, einem Professor für Neurochirurgie an der UCLA David Geffen School of Medicine und seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Rahul Agrawal.

Gomez-Pernilla und Agrawal unterteilten die Ratten in zwei Versuchsgruppen. Zunächst bekamen beide Gruppen fünf Tage lang ein gewöhnliches Mischfutter und wurden zweimal täglich trainiert, ein Labyrinth zu durchlaufen. Das Labyrinth hatte viele Abzweigungen aber nur einen Ausgang. Die Wissenschaftler platzierten visuelle Erinnerungsmerkmale in den Gängen, um den Ratten das Lernen des richtigen Weges zu erleichtern.

Anschließend erhielten beide Gruppen, anstelle von Wasser eine Fruktose-Lösung zu trinken. Fruktose ist ein natürlich vorkommender Einfachzucker. Die zweite Gruppe bekam zusätzlich zur Fruktoselösung Nahrung, die mit der Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA) und Leinsamenöl angereichert wurde, das ebenfalls reichhaltig an Omega-3-Fettsäuren ist.

Docosahexaensäure und die Synapsen

Docosahexaensäure (DHA) ist für eine reibungslose Funktion der Gehirn-Synapsen verantwortlich. Synapsen sind die Stelle einer neuronalen Verknüpfung, über die eine Nervenzelle in Kontakt zu einer anderen Zelle steht. Synapsen dienen zur Übertragung von Erregung und speichern Informationen. So ermöglichen sie uns, Dinge zu lernen und uns an das gelernte zu erinnern. Docosahexaensäure wird nur zum Teil vom Körper produziert und muss deshalb über die  Nahrung zusätzlich aufgenommen werden.

Nun aber zurück, zu den Ratten: Nach sechs Wochen wurde die Fähigkeit der Ratten getestet, das Labyrinth erneut zu durchlaufen. Die Gruppe, deren Nahrung nicht mit Omega-3-Fettsäuren angereichert wurde, waren langsamer und die Gehirne dieser Ratten zeigten eine geringere synaptische Aktivität. Ratten fiel es demnach also schwer, zu denken und sich an den besten Weg zu erinnern.

Die Rolle von Insulin im Gehirn

Die Ratten schienen auch eine gewisse Resistenz gegenüber Insulin entwickelt zu haben. Im Gegensatz zu ihrem Körper, wo das Insulin den Blutzuckerspiegel reguliert, steuert es im Gehirn die Lern- und Gedächtnisfähigkeit. Gomez-Pinilla nimmt an, dass zu viel Fruktose die Fähigkeit des Insulins stört, aus Zucker die nötige Energie für Denkprozesse, Emotionen und Erinnerungsfähigkeit zu gewinnen.

Omega-3-Fettsäuren wirken Zucker entgegen

Die Gruppe der Ratten, deren Nahrung mit Omega-3-Fettsäuren angereichert war, durchquerten das Labyrinth schneller, was darauf hindeutet, dass Omega-3-Fettsäuren der Wirkung übermäßigen Zuckerkonsums entgegenwirken können. Ein gesundes Gewicht und eine zuckerarme, ausgewogene Ernährung scheinen demnach also nicht nur eine positive Wirkung auf unsere körperliche Gesundheit zu haben, sondern auch auf die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns. Was folgt daraus für die Ernährung von Menschen deren Gehirne oft mehrere Stunden auf Hochleistung laufen müssen?

Zucker, Quelle: pixabay
Zucker, Quelle: pixabay

Die Weltdenksportspiele

Nehmen wir zum Beispiel Teilnehmer der Weltdenksportspiele:  Wie ernähren sie sich vor den Turnieren?  Die Weltdenksportspiele wurden 2005 quasi als Parallelveranstaltung zu der Olympiade für den Denksport gegründet mit den vier Disziplinen Schach, Go, Dame und Bridge. Xiangqi wurde 2015 aufgenommen. Mahjong 2017 und Poker ist derzeit auf einem Beobachterstatus, der Vorstufe zu einer Aufnahme in die Spiele.

Wie ernähren sich Denksportler?

Denksportler müssen oft mehrere Stunden auf geistiger Hochleistung bleiben. Schaut man sich die einschlägigen Blogs und Foren an, so scheint es, dass in früheren Zeiten häufig auf koffeinhaltige Getränke und zuckerhaltige Speisen zurückgegriffen wurde. Langsam scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass Nahrungsmittel, die wenig Kohlenhydrate enthalten, eiweißreich und reich an Omega 3-haltigen Fetten sind, sich leistungssteigernd auswirken.

Das spiegeln auch Ernährungstipps und Rezepte für Teilnehmer wieder, wie zum Beispiel in dem Artikel „Vier brandaktuelle Grüne Tipps für mehr Hirn- und Nervenstärke“ den die Ernährungsspezialistin Sara Varela für Pokerspieler geschrieben hat, oder „Ernährungstrategien“ für Schachspieler, wie in dem sehr informativen Informationsblatt „What’s Eating Your Game?“ von Kay Umeakunne. Ernährungswissenschaftler bekräftigen diesen Trend, wie die Dipl. Lebensmittelingenieurin ETH und dipl. Fachlehrerin ETH Marianne Botta Diener in ihrem Artikel „Die beste Nahrung fürs Gehirn“ zusammenfasst.

Zucker – Dies ist aber nur der Anfang

In wissenschaftlicher Hinsicht stehen wir vor der Frage, wie die Ernährung unsere Denkfähigkeit beeinflusst, immer noch ganz am Anfang. Weitere Untersuchungen werden nötig sein um die Ergebnisse zu untermauern und Einzelheiten zu klären.

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